Markus und Fabian teilen sich eine Wohnung in Bozen. Und sie teilen die Leidenschaften, leidenschaftlich zu diskutieren und pointiert zu schreiben. In ihrer Küche wird über kompletten Nonsens genauso gerne diskutiert wie über die aktuelle Weltpolitik (nur gekocht wird dort nicht so oft). Ähnlich soll es in diesem Blog passieren.
Das Konzept: beide schreiben einmal pro Monat mit einer vorgegebenen Zeichenzahl ihre Meinung zu einem vorgegebenen Thema. Eine Woche nach Veröffentlichung wird abgerechnet: wer hat mit seinem Text mehr Views und Likes erreicht?
Der Verlierer muss den Müll runterbringen. Der Gewinner darf das Thema für den nächsten Monat bestimmen. Vorschläge dürfen natürlich auch von euch Lesern kommen.
Gute Unterhaltung beim „Battle of Blogs“!

Montag, 30. März 2020

Die Welt nach dem Virus (Markus)


Esslingen, 30.03.2021 – Die lang ersehnte Nachricht der WHO ist da: Der Impfstoff gegen COVID-19 ist zugelassen. In den nächsten Wochen werden Millionen von Menschen – beginnend mit Risikopatienten – geimpft werden und ein für alle Mal immun sein gegen das Corona-Virus, das die ganze Welt fast eineinhalb Jahre lang beschäftigt hat. Corona ist nun also endlich kein lebensgefährliches Virus mehr, sondern nurmehr ein kopfschmerzverursachendes mexikanisches Bier.

Es ist also Zeit, die Frage zu stellen: Was ist geblieben von der Pandemie? Natürlich großes Leid in den zahlreichen Familien, die Angehörige verloren haben. Eine weltweit gestiegene Arbeitslosigkeit, weil viele insbesondere kleinere Geschäfte nach dem Shutdown nicht wieder geöffnet haben. Die Staatsverschuldung ist fast überall gestiegen und somit die Vulnerabilität: Bei der nächsten vergleichbaren Krise werden viele Länder nicht mehr in der Lage sein, finanziell derart großzügig zu reagieren – aber vielleicht ist das ja auch gar nicht mehr nötig? 

Nicht, dass es nicht ähnliche Pandemien auch in Zukunft geben kann. Aber das Verhalten von uns allen hat sich in den letzten eineinhalb Jahren derart stark verändert, dass die nächste Krise wohl weniger tödlich sein wird. Auch in Europa ist es nun endlich üblich, dass Erkältete mit Mundschutz in der Öffentlichkeit unterwegs sind. Sich in die Hand zu nießen (und mit der Hand dann später Gegenstände im öffentlichen Raum anzufassen) – ist nun weltweit geächtet. Lebenswichtige Produkte werden auch wieder in Hochlohnländern produziert. Überhaupt hat sich in der Corona-Krise herauskristallisiert, dass Gesundheit wichtiger ist als Profite. Nur so ist zu erklären, dass der deutsche Staat private Krankenhäuser wieder verstaatlicht hat. Es geht nicht nur im deutschen Gesundheitssystem nun wieder vermehrt darum, Menschen zu heilen, Angestellte menschenwürdig zu behandeln und Kapazitäten für den Ernstfall vorzuhalten. Die Zeit der Fallprämien für sinnlose Operationen ist vorbei, die Zeit für eine Bürgerversicherung anstelle der bislang vorherrschenden Zweiklassenmedizin scheint gekommen. 

Endlich darf man auch wieder das Haus verlassen, um links oder rechts abzubiegen.


Auch gesellschaftlich hat sich einiges geändert: Lehrer und Pflegekräfte werden seit der Krise deutlich höher angesehen – letztere auch endlich deutlich besser bezahlt. Viele Eltern mussten in der quälend langen Phase der Schulschließung einsehen, dass ihre kleinen Kackbratzen doch keine Wunderkinder sind. Und Väter im Homeoffice haben erstmals verstanden, wie viel Arbeit Hausarbeit ist. Überhaupt Homeoffice: Das Arbeitsleben in Deutschland hat sich stark verändert. Die Zahl der Menschen, die zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten, hat sich auf ein Maß erhöht, das vorher nur aus Skandinavien und den Niederlanden bekannt war. Plötzlich geht vieles digital, wofür vorher lange Dienstreisen und kurze Flüge nötig waren. 

Nicht nur der stark gesunkene Flugverkehr hat 2020 zu einem Jahr gemacht, in dem sich die Natur vom Menschen erholen konnte. Vieles spricht dafür, dass ein paar der Umweltschutzerrungenschaften erhalten bleiben: Jetzt, wo sich Videokonferenzen flächendeckend durchgesetzt haben, wird es weiterhin weniger Dienstreisen geben als vor der Pandemie. Und jetzt, wo die Menschen in chinesischen Großstädten mal wieder wissen, wie sich saubere Luft einatmet und die verblieben Bewohner von Venedig wieder wissen, wie saubere Kanäle ausschauen, wollen sie diese Errungenschaften unbedingt beibehalten und setzen sich vehement dafür ein. 

Ein tödliches Virus als Blaupause für die Rettung des Planeten? Um das beurteilen zu können, ist es noch zu früh. Aber dass Donald Trump und Boris Johnson die Corona-Krise politisch nicht überlebt haben, dürfte für künftige internationale Umweltschutzvereinbarungen eine gute Nachricht sein.

Solche Fotos konnte man 2020 an vielen Orten machen, auch in Esslingen


Wer die Corona-Krise nach anfänglichen Schwierigkeiten gut überstanden hat, ist die Europäische Union. Lange hatte es gedauert, bis sich Europa solidarisch gezeigt und Spanien und Italien großzügig unterstützt hat, letztendlich dann ja doch auch mit Euro-Bonds, auch wenn die auf deutschen Wunsch hin nicht so heißen durften. Auch die EU-skeptischen Regierungen in Polen, Ungarn und der Slowakei profitieren davon, dass in der EU produzierte Schutzmasken und Beatmungsgeräte innerhalb der Union nach Bedürftigkeit verteilt wurden und wohl auch künftig werden. Die Erkenntnis, dass man nur gemeinsam stark ist, hat sich am Ende durchgesetzt.

Wie wir heute wissen, war die Nation in Europa mit den meisten Todesopfern nicht Spanien oder Italien, sondern das Vereinigte Königreich. Unterstützung aus der EU hätte sicher geholfen, aber aus der ist man ja kurz vor Ausbruch der Krise ausgeschieden. Umfragen zufolge wünschen sich aktuell 73 % der Briten eine Rückkehr in die Europäische Union. Die Braccess-Debatte ist eröffnet.

Wir warten also darauf, wie sich die Debatte in Großbritannien weiterentwickelt. Freuen uns auf Europameisterschaft und Olympische Spiele, die ja nun bald nachgeholt werden. Und ignorieren hoffentlich die Ignoranz der Impfgegner, die mit ihren irrationalen und egoistischen Argumenten auch gegen die COVID-19-Impfung trommeln. Ein kleiner Pieks tut nicht weh, kann aber Menschenleben retten und das Gesundheitssystem entlasten. Nun ist der Pieks endlich zugelassen. 

Das Leben mit Corona ist beendet, wir können unsere Sehnsucht nach Süden wieder ausleben.

Die Welt nach dem Virus (Fabian)


30/03/2021: Am heutigen Dienstag hat EU-Kommissionspräsident Jannis Varoufakis den 25/04 zum EU-Feiertag erklärt An diesem Tag, im Jahr 2020 war Italien das erste Land in der EU, das die Ausgangssperre aufhob. Der Tag, der zuvor in Italien als „Tag der Befreiung vom Faschismus“ galt, wird nun der „Europäische Tag der Freiheit“. Durch die Krise und ihre Überwindung habe man entdeckt, was Freiheit eigentlich bedeutet. „Die Freiheit rauszugehen, die Freiheit andere zu umarmen, die Freiheit in ein anderes EU-Land reisen zu dürfen – das alles ist nicht selbstverständlich, das hat uns 2020 gezeigt“ so der Grieche.

Was ist nicht alles passiert im letzten Jahr. 30/03/2020, da befanden wir uns noch mitten in der Corona-Krise. Die Welt, wie wir sie bis dahin kannten war in ihren Grundfesten erschüttert. Nun ist so vieles anders. Zeit zurückzublicken.

Leben im Jahr 1 nach Corona 

Was hatte man nicht alles fabuliert, gefürchtet und gehofft, noch während der Krise. Was würde danach alles anders werden, was besser, was schlechter? Nun mit etwas Abstand ist klar: im Kleinen, im täglichen Leben hat sich für die Meisten nicht so wahnsinnig viel verändert. Klopapier ist nicht mehr knapp, Fabriken fabrizieren wieder (zumindest die, die noch übrig sind), Konsumenten konsumieren wieder (zumindest die, die noch einen Job haben), und der Flugverkehr verkehrt wieder (zumindest bei Airlines, die noch existieren). Im Sommer 2020 ist so langsam wieder der Alltag eingekehrt, zunächst innerhalb von Regionen, dann von Staaten, die den Gesundheitsnotstand überwunden hatten. Schließlich global. Im Dezember wurde der Corona-Impfstoff zugelassen, spätestens seitdem ist die medizinische Krise überwunden. Ökonomisch werden wir wohl noch eine Weile daran zu knabbern haben. Millionen von Europäern haben in der Krise ihren Job verloren und hoffen auf eine Ausdehnung des Seidenstraßen-Fonds. Zahlreiche Infrastrukturprojekte wie Schnellzüge und Solarkraftwerke warten darauf, angegangen zu werden und werden noch von der EU-Bürokratie gebremst. Manche Dinge ändern sich wohl nie.

Deutschlands Rolle in Europa 

Ende März 2020 verhindert Deutschland vehement die Einführung von Eurobonds zur Eindämmung der zu erwartenden Wirtschaftskrise. Sehr zum Missfallen der Mittelmeerländer. Zum selben Zeitpunkt verabschiedet Deutschland ein üppiges Hilfspaket für deutsche Firmen. Schlechtes Timing und ungeschickte Diplomatie, die einen neuen, tiefen Riss in die EU bringt. Es kommt zum historischen Schulterschluss zwischen Frankreich, Italien und Spanien. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ist Deutschland in Europa weitgehend isoliert. Sehr viele EU-Länder (die in Summe über 60% des EU-BIP produzieren) wenden sich von Deutschland ab. Ab diesem Zeitpunkt hechelt Deutschland der EU hinterher und hat das Steuer aus der Hand gegeben. Die Rolle Chinas in Europa, die Berufung von Varoufakis zum EU-Kommissar, die expansive Haushaltspolitik - Deutschland muss das alles hinnehmen. Es stellt sich allerdings bald heraus, dass vor allem die Deutschen sehr stark von der Investitionsoffensive profitieren. 

Chinesischer Marschallplan

Nach dem anfänglichen Versagen der EU sah China seine Zeit gekommen. Es begann mit Hilfslieferungen an medizinischem Material und Ärzten. Mitte Mai kam schließlich der Seidenstraßen-Fonds, landläufig auch als Chinesischer Marschallplan bezeichnet. Der Deal war so einfach wie verlockend: China versorgt Italien, Spanien und zahlreiche andere Länder mit reichlich Kapital um die Produktionskapazitäten wieder auszuschöpfen. Dafür unterschreibt die EU ein Handelsabkommen mit China. Das Land im fernen Osten bekommt privilegierten Zugang zu kritischer Infrastruktur und Anteile an zahlreichen namhaften Unternehmen, darunter Gucci, Ferrari und Zara.

Ja, sie lebt noch

Die EU? Sie lebt. Selbst Nationalisten haben nun erkannt, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts national nicht zu lösen sind. Viren gehören ebenso dazu wie der Klimawandel und die Digitalisierung. Auch um die vollständige Unterwanderung Italiens durch China zu vermeiden erlebt die EU-Außenpolitik eine unverhoffte Renaissance. Durch die Berufung von Jannis Varoufakis zum EU-Kommissionspräsidenten konnte man auch die Südländer zum Einlenken bewegen und einen breiten Konsens für die EU schaffen. Die Schuldenbremse wurde von der EU-Agenda gestrichen, stattdessen investieren alle Staaten kräftig in erneuerbare Energien und Digitalisierung, um Produktion und Konsum zu beleben.

Das Ende der Supermacht

Lange hatte Donald Trump über das Virus gescherzt und es nicht ernst genommen. Selbst als es in New York City mehr infizierte gab als in ganz Italien gab es keine Isolation, keine rote Zone. Am Ende wurde es heftig – in keinem Land traten die Defizite des Gesundheitssystems so offen zu Tage wie in den USA, nirgends starben so viele Menschen, nirgends gab es mehr Arbeitslose. Nach der Vereidigung von Bernie Sanders als US Präsident im Januar wandelt sich die USA nun rapide in einen sozialistischen Staat. Heute, zwei Monate nach seiner Amtsübernahme gibt es ein staatliches Gesundheitssystem, Kündigungsschutz und zahllose Verstaatlichungen. Die gewaltige US-Army wurde aus dem Ausland zurückgerufen und ist damit beschäftigt, ihr eigenes Land in Schach zu halten. Ob die Armeebasen in Europa wieder aufgenommen werden ist noch nicht klar. Indiskretionen zu Folge soll China den USA angeboten haben, die Basen zu übernehmen.

Und die Klopapierindustrie 

Ist völlig von der Rolle. Nach einem Nachfrageboom im März und April 2020 brach die Nachfrage im Sommer völlig ein. Als sich die Situation im Herbst wieder stabilisierte, war rund ein Drittel der Klopapierkonzerne schon nicht mehr Zahlungsfähig. „Scheiße gelaufen“ meinte der Sprecher der Klopapier-Anbietenden-Konzerne (KAK) lapidar.