Wir können einen Gang zurückschalten und auf das Schaltjahr 2020 zurückschauen. Deutschland kann den EU-Ratsvorsitz wieder abgeben, Beethoven kann sich von den Feierlichkeiten zu seinem 250. Geburtstag erholen, Tokio von den olympischen Sommerspielen. Aber was waren die eigentlichen Highlights des zurückliegenden Jahres? Hier sind sie nochmal zusammengefasst:
Das Wort des Jahres: Flughafenscham
Am 31. Oktober 2020 war es so weit: Der Flughafen
Berlin-Brandenburg International „Willy Brandt“ wurde eröffnet. 13 Jahre nach
Baubeginn, neun Jahre nach der geplanten Eröffnung im November 2011. Ganz schön
peinlich. So peinlich, dass kein Spitzenpolitiker den Flughafen eröffnen
wollte: Angela Merkel ließ sich entschuldigen – und feierte lieber in der
Uckermark den Reformationstag. Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller?
Eröffnete lieber ein Kita-Modellprojekt in Charlottenburg. Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke? War in der Lausitz, um mit einer Gießkanne Fördergelder
zu verteilen. Alle anderen Spitzenpolitiker? Hingen irgendwo in der Bahn fest,
weil mal wieder der gesamte ICE-Verkehr zusammengebrochen war. Das Wort „Flughafenscham“
machte schnell die Runde, auch nach dessen Eröffnung möchte niemand mit dem Berliner
Pannenflughafen in Verbindung gebracht werden.
Der TXL ist Geschichte, die Schwaben werden jetzt nach Schönefeld gefahren |
Die Zahl des
Jahres: 75
Die Zahl 75 ist im Jahr 2020 auffällig oft in den Nachrichten
vorgekommen. Die UNO hat ihren 75. Geburtstag gefeiert. Das Land Hessen ist ebenfalls
75 geworden. Die Vuelta a España wurde zum 75. Mal ausgerichtet. 75 Schauspieler
standen in der allerletzten Folge der Lindenstraße vor der Kamera. 75 Punkte
haben RB Leipzig gereicht, um Deutscher Meister zu werden. 75 Stimmen Vorsprung
haben der grünen Katharina Fegebank gereicht, um neue Bürgermeisterin von
Hamburg zu werden. 75 Millionen Menschen weltweit haben den 25. James Bond „No
time to die“ im Kino gesehen.
Die Ankündigung
des Jahres: Habeck will Kanzler werden
Jahrelang wurde
darüber spekuliert, ob die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl mit einem
Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin antreten wollen. Den Grünen
selber waren Vorstöße in diese Richtung immer unangenehm. Nun hat Parteichef
Robert Habeck die Katze aus dem Sack gelassen: „Kanzler wär schon geil. Ja, das
wäre ne coole Sache“, hat er bei Anne Will verlauten lassen – und damit
erwartbare Reflexe ausgelöst: Die FDP warnt vor einem „Verlust von
hunderttausenden Arbeitsplätzen“, wenn die Grünen das Kanzleramt übernehmen.
Die AFD warnt vor einer „Masseneinwanderung von Millionen von meuchelmordenden
Muslimen“, wenn die Grünen das Kanzlerarmt übernehmen. Die SPD konnte sich auf
keine einheitliche Stellungnahme einigen.
Das Verbot des
Jahres: Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen
Worauf sich die SPD Anfang 2020 überraschend einigen konnte: Dass sie
einen neuen Anlauf beim Tempolimit nehmen will. Da von FDP und AFD zu viele
Abgeordnete nicht anwesend waren, reichten die 288 Stimmen von SPD, Grünen und
Linken aus, um die Union zu brüskieren: Der Bundestag hat entschieden, dass auf
Deutschlands Autobahnen seit Mitte 2020 ein Tempolimit von 120 km/h gilt. Ob das
Klima dadurch gerettet wird, sei dahingestellt. Aber es wird viele
Menschenleben retten. Und was machen jetzt die armen Sportwagenbesitzer, die ihren
kleinen Penis durch hohe Geschwindigkeiten ausgleichen müssen? Die können nach Afghanistan,
Nordkorea, Mauretanien oder auf die Isle of Man reisen: Dort gibt es weiterhin kein
allgemeines Tempolimit.
Es war ein SPD-Kanzler, der Hartz IV eingeführt hat. Es war eine
CDU-Kanzlerin, die die Wehrpflicht abgeschafft hat. Nun ist es also ein CSU-Verkehrsminister,
der gegen seinen Willen ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen
eingeführt hat. Alles, was in den nächsten Jahren in Deutschland noch passieren
wird – autofreie Innenstädte, Citymauts, zahlreiche Radschnellwege, eine zweite
Bahnreform mit der Trennung von Netz und Betrieb und deutlich mehr
Investitionsmitteln für das Bahnnetz – wird immer mit dem Namen Andreas Scheuer
verbunden bleiben, der somit vom „Feinstaub-Andi“ zum Wegbereiter der überfälligen
Verkehrswende in Deutschland wurde.
Jetzt auch auf deutschen Autobahnen: Tempolimit |
Die Umsetzung des
Jahres: Der Brexit ist da – vorerst
Am 31. Januar 2020 war es endlich so weit: Großbritannien hat die EU verlassen.
Vorerst. Boris Johnson hat damit sein Ziel erreicht – aber ein Handelsabkommen mit
der EU gibt es noch nicht: Bis zum 31.12.2020 änderte der vollzogene Brexit
faktisch nichts an der Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Europa. Johnson
und die EU konnten sich auch im Laufe des Jahres 2020 nicht auf einen
Handelsvertrag einigen. Auf den letzten Drücker konnte ein Aufschub um drei Monate
bis März 2021 erreicht werden. Johnson will bis dahin doch noch ein Abkommen
mit der EU hinkriegen. Labour will eine neue Volksabstimmung, um den Brexit doch
noch rückgängig machen zu können. Schottland will unabhängig werden. Nordirland
und Irland wollen sich zu „New Ireland“ vereinigen. Das United Kingdom geht
wohl in das letzte Jahr seines Bestehens.
Diese Polizisten sind keine EU-Mitglieder mehr |
Die Abstimmung
des Jahres: Trump verliert seinen Job
Es war ein
Vorfall, wie es in den USA viel zu viele gibt, aber diesmal war trotzdem alles
anders: Im Januar 2020 hat in einem gottverlassenen Nest in Ohio ein Rechtsradikaler
mit seiner Waffe einen Obdachlosen provoziert. Der Obdachlose hat dem Rechtsradikalen
daraufhin die Waffe entrissen und ihn erschossen. Präsident Trump twitterte nach
dem Vorfall wie wild drauf los: Erst drückte er sein Mitleid mit dem Opfer aus
(„Didn’t know him, but I know he was a good guy“), dann empörte er sich über
Waffen an sich („It was a gun that killed this good guy. Weapons are made for
defence, not for killing!”). Trump stellte scheinbar zum ersten Mal fest, dass
Waffen töten können. Seine logische Schlussfolgerung: Waffen verbieten, um die
Bevölkerung zu schützen. Unter dem Motto #KillThatKillingGuns trat er für
scharfe Waffengesetze statt scharfer Munition ein – was einige republikanische
Abgeordnete um Spendengelder von den Waffenfirmen im anstehenden Wahlkampf
fürchten ließ. Die logische Reaktion: Viele Republikaner stimmten im
Impeachment-Verfahren gegen Trump. Der Rest ist bekannt: Donald Trump hat im
Frühjahr 2020 überraschend sein Amt verloren. Er wurde vorübergehend von Mitt
Romney ersetzt, die Präsidentschaftswahlen 2020 hat aber Michael Bloomberg für die
Demokraten gewonnen.
Unter Trump ging es mit Amerika bergab |
Die Welt hat also
Donald Trump überlebt. Mal schauen, was die Welt 2021 alles überleben muss. An
dieser Stelle wird man es vorträglich nachlesen können.
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